Lutherstadt Eisleben und seine Lutherstätten

Etwa 35 Kilometer östlich von Halle (Saale) liegt die Lutherstadt Eisleben. Sie ist die zweit­größte Stadt im Landkreis Mans­feld-Südharz, eng der  Geschichte des Kupferbergbau in dieser Re­gion ver­bun­den und als Geburts- und Sterbeort des Refor­ma­tors Martin Luther bekannt geworden. Die Lutherstadt Eisleben ist also ein Reiseziel von hohem Rang, eine Stadt, in der wohl jeder einmal gewesen sein sollte. Wer sich dieses Reiseziel als mobilitäts­ein­geschränkter Reisender vornimmt, stößt dabei jedoch bereits bei der Reise­vor­bereitung auf ein Problem: Es ist sehr schwierig, die für eine Reise erforderliche Informa­tionen zu beschaffen. In den Broschüren der Touristinformation sowie auf den Internetseiten für die Lutherstädte Mansfeld und Eisleben gibt es bisher keine Auskünfte zur Barrierefreiheit der Sehenswürdigkeiten oder der Unterkünfte und Gaststätten. Das trifft bisher auch auf die Touristinformation der Lutherstadt Eisleben zu, wo es interessante Informationen zu den Lutherstädten aber nicht zu deren Barrierefreiheit gibt. Wer auf dem Portals „Luther erleben“ sucht, wird ebenfalls nur wenige Antworten finden.

Das Gebiet der Altstadt von Eisleben be­fin­det sich in hügliger Landschaft. Rollstuhl nutzende Besucher sollten sich auf Straßenabschnitte mit mehr Steigung, beziehungsweise Gefälle, als sechs Prozent einstellen. Zu einem Rollstuhl mit Elektroantrieb ist also zu raten. Schiebehilfe wird wahrscheinlich erforderlich werden. Zudem ist Eisleben natürlich eine alte Stadt: enge Straßen, viele Einbahnstraßen, Kopfstein­pflaster, mehr oder weniger breite Fußwege gehören allein deswegen zum Stadtbild. Obwohl der Fern­verkehr hauptsächlich auf einer Umgehungsstraße außerhalb des Zentrums fließt, gibt es dennoch einige Straßen mit relativ starkem Autoverkehr bei denen ein Überqueren nicht immer einfach ist.

Wer als Rollstuhl-Reisender nach Eisleben kommt, wird zugleich positiv überrascht. So wurden nicht nur der Klosterplatz mit dem Busbahnhof neu gestaltet und hier findet der Besucher Bedingungen vor, die den Normen zur Barriere­freiheit, einschließlich der taktilen Leitstreif­en, weitgehend gerecht werden. An den Park­plätzen gibt es stets auch „Be­hindertenparkplätze“. Diese reservierten Parkflächen sind auch in der Innen­stadt vorhanden – man muss sie eben nur finden. Straßenabschnitte, die noch nicht erneuert wurden, bieten zumeist aber klein­steiniges und somit insgesamt gut befahr­bares Kopfsteinpflaster. An mehreren Stellen gibt es Absenk­ungen der Bord­steine – nicht DIN-ge­recht und oft nur wenig breiter als 60 Zentimeter, aber eben doch nutzbar und hilfreich. Nachteilig für Spaziergang durch die Stadt von Besuchern mit Roll­stuhl ist ebenso, dass nur einzelne Geschäfte wirklich ebenerdig zugäng­lich sind.

Wer als Rollstuhlnutzer / Rollstuhlnutzerin die Lutherstadt Eisleben besucht, sollte zuerst die Touristinformation aufsuchen. Sie be­findet sich am Ende der Freistraße und ihrem Übergang in die Hallische Straße. Das Büro ist ebenerdig zugänglich.

Gleich neben der Touristinformation befindet sich in der Lutherstraße das Geburtshaus von Martin Luther. Hier findet man den Eingang über einen kleinen Hof an dessen rechter Seite das eigentlich Geburtshaus steht. Der Zugang erfolgt über einen Neubau, der als Besucherzentrum dient. Die Aus­stellungs­räume verteilen sich über drei Etagen. Die ersten Informationen zum Haus bekommt man am Empfangstisch im Erd­geschoss. Die Etagen der Ausstellung sind auch mittels Fahrstuhl zugänglich, der für eine Nutzung mittels Rollstuhl flächenmäßig ausreichend groß ist. Das Bedienfeld ist normgerecht niedrig angebracht sowie mit tak­til­er Tast­a­tur ausgestattet. Zudem gibt es eine Sprachansage.
Die Ausstellungsräume sind insgesamt schwellenfrei sowie durch ausreich­end breite Türen zugänglich. Für Besucher mit Rollstuhl sind, wegen hoher Tür­schwelle, lediglich ein historisch eingerichteter und den Wohn­be­ding­ung­en der Familie Luther nachempfundener Raum sowie die „schwarze Küche“ im Erdgeschoss nicht zugänglich, jedoch von der Tür aus gut einseh­bar. Ebenso ist der „Schöne Saal“ (nach dem Raum mit dem Taufbecken) nur über eine Treppe zugänglich. Leider sind die Exponate in dieser Ausstellung fast ausschließlich in Glasvitrinen liegend angeordnet – kein wirklicher Genuss für Besucher mit Rollstuhl und unerreichbar für Blinde.
Die im Untergeschoss befindliche Toilette für Besucher mit Rollstuhl ent­spricht bis auf Kleinigkeiten den Normen und ist als beidseitig anfahrbare Toilette ohne Barrieren nutzbar.

Wer sich nach dem Besuch des Geburtshauses von Martin Luther nun stärken möchte, könnte dies gleich in der „Lutherschenke“ tun. Sie bietet gutbürgerliche und tschech­isch-böhmische Küche an, die der Gast im Sommergarten oder in der Gast­stätte genießen kann, welche an der Rückseite mittels Schräge auch eben­erdig zugänglich ist.

Von hier aus ist die Sankt-Petri-Pauli-Kirche in zehn Minuten zu erreichen Sie steht oberhalb des Geburtshauses von Martin Luther und ist jene Kirche in welcher er ge­tauft wurde. Sie enthält einen historisch gestalteten Taufraum und ist über die leicht ansteigende Lutherstraße, die Seminarstraße und den Petrikirchplatz verhältnismäßig gut zu erreichen.

Von fast überall in der Stadt aus ist die Sankt-Andreas-Kirche zu sehen. Sie ist derzeitige Hauptkirche und befindet sich ober­halb des Rathauses gegenüber dem Sterbehaus von Martin Luther. In dieser Kirche hatte Martin Luther seine vier letzten Predigten gehalten. Jene Kan­zel, von welcher Martin damals predigt, ist auch derzeit noch in dieser Kirche zu sehen. Die Haupt­tür der Kirche ist ebenerdig gut mit Rollstuhl an­zufahren und vermittelt einen guten Blick in den Innenraum. Der Weg in die Kirche führt jedoch über mehrere Stufen und verlangt somit Gehfähigkeit. Für alle Besucher, die mit einem Rollstuhl dennoch in das Kirchgebäude möchten, um die Kirche von innen sehen zu können, gibt es bis zum vorgesehenen Umbau die Möglichkeit, eine Seiten­tür zu öffnen und hier Behelfsschrägen anzulegen.

Martin Luthers Sterbehaus steht in der Sangerhäuser Straße oberhalb des Markplatzes. Mobilitätseingeschränkte Besucher sollten der Wegweisung in der Stadt jedoch nur bis auf die Höhe der Straße kurz vor der Kirche folgen, denn die Ausschilderung führt nur zum historischen Eingang am Andre­as-Kirchplatz, welcher jedoch für Besucher mit Mobilitätseinschränkungen nicht passierbar ist. Um in das Sterbehaus direkt gelangen zu können, muss man als mobilitätseingeschränkter Besucher in eine re­lativ enge Straße abbiegen, die Vikariatsstraße. Sie führt zu einem Torbog­en durch wel­chen man sodann zum Eingang des neuen und modernen Besuch­er­zentrums gelangt, dessen Eingang dann auch bar­rie­refreie passierbar ist. Das neu erbaute Besucherzentrum berücksichtigt in der Gestaltung die An­sprüche von in der Gehfähigkeit eingeschränkten oder Rollstuhl nutzenden Besuchern und ist in diesem Sinne barrierefrei. Die Ausstellung wird auf zwei Etagen präsentiert, die mittels eines Lifts zugänglich sind. Die Ausstellung im Neubau ist ohne Hinder­nisse auch mit Rollstuhl zu besichtigen. Das trifft nicht auf jenen Teil zu, der sich im historischen Gebäudeteil befindet. Hier ist ein Besuch für Gäste mit Rollstuhl wegen hoher Stufen sowie einer Wendeltreppe, die in das Obergeschoss des historischen Gebäudeteiles führt, nicht möglich. Dort befinden sich mehrere Zimmer mit einer nachgestellten historischen Wohnstube, verschiedenen Möbel sowie das Sterbezimmer.

Für den Besucher mit Rollstuhl gibt es in der Stadt Eisleben mehrere Restau­rants, die ihren Service auch im Außenbereich anbieten. Über die barriere­freie Zugänglichkeit der Restaurants liegen zentral bisher keine Angaben vor.

Wer einen ganzen Tag unterwegs ist und in einer fremden Stadt auch einmal Essen und Trinken zu sich nimmt, muss dann ebenfalls einmal eine Toilette auf­suchen. Ist man in Eisleben mit Rollstuhl unterwegs, sollte man sich da­bei auf die Toiletten im Geburtshaus sowie im Sterbehaus von Martin Luther kon­zen­trier­en. In beiden Häusern gibt es ebenerdig zugängliche Toiletten, welche auch grundlegend den Anforderungen der Barrierefreiheit-Norm ge­recht wer­den. In der Stadt stehen ansonsten nur noch Toiletten am Markt­berg zur Ver­­fügung, welche nur zu für den Tourismus unfreundlichen Zeiten von mon­tags bis freitags zwischen 09:00 Uhr und 16:00 geöffnet sind und auch mit Euro-Schlüssel nicht aufgemacht werden können. Die Damen­toi­lette ist hier ebenso mit dem Rollstuhlsymbol gekennzeichnet.   

(Juli 2015)