Soomaa – Aktivitäten und Erholung in der Natur

Urlaub in der Natur zu machen, frische Luft genießen und mal nicht von einem in der Ferne vorbeifahrenden Zug oder den Geräuschen einer Autobahn in der Stille gestört und aus den Träumen gerissen zu werden – wer einen solchen Urlaub sucht und sich gerade davon Erholung verspricht, ist in Estland richtig. Zudem liegen hier „unberührte Natur“ und lebendige Städte dicht beieinander. So weicht bereits 30 Kilometer nach der Stadtgrenze der Hauptstadt Tallinn die vierspurig ausgebaute Fernstraße einer zweispurigen Variante. Der Blick aus dem Fenster zeigt nun Wiesen und Wälder sowie kleine Dörfer und einzelne Gehöfte. Nicht einmal eine Stunde nach den vollen Straßen der großen Städte erreicht man in Estland „die Natur“.

Und wer sich zu einem Besuch in einem der fünf Naturparks entscheidet, oder eines der anderen von den insgesamt dreizehn Gebieten, welche von der Forstverwaltung für die Erholung freigegeben sind, kommt dann in Regionen, in denen man tatsächlich einen ganzen Tag über keinen anderen Menschen treffen könnte. Dafür kann man hier in Mitteleuropa selten gewordene Orchideen finden, Vögel beobachten, die man bei uns nur aus dem Zoo kennt, oder auch Elche, Wölfe, Luchse und sogar Braunbären in ihrem natürlichen Umfeld sehen.

Mobilitätseingeschränkte Reisende sollten sich für einen Besuch des zwischen den Städten Viljandi und Pärnu gelegenen Naturparks Soomaa entscheiden. Dieser Naturpark wird von Hochmooren und kleinen Flüssen geprägt. Etwas Besonderes ist die „fünfte Jahreszeit“, die Zeit der Frühjahrshochwasser, welche die Landschaft hier überschwemmt und so  insgesamt in ein natürliches Feuchtgebiet verwandeln. Das alles macht den Park zu einem Naturgebiet in dem mehr als 185 unterschiedliche Vogelarten beobachten kann, darunter seltene Störche und ganzjährig hier lebende Habichtskauze. Wenn dann im Juni auf den Auen wieder Wiesenpflanzen wachsen, dann fallen die grellblauen Sibirischen Schwertlilien am meisten ins Auge.

Das Besucherzentrum ist ebenerdig zugänglich. Neben Estnisch wird hier von den Naturparkführern auch Englisch und Deutsch gesprochen. Faktisch gleich hinter dem Besucherzentrum beginnt ein Bohlenweg auf dem man auch mit Rollstuhl in das „Revier der Biber“ eindringen kann. Angenagte Baumstümpfe und Biberbaue sind Beleg dafür, dass hier der Bokert zu Hause ist und mit etwas Glück kann man ihn auch selbst antreffen.  

Eine weitere Begegnung mit einzigartiger Natur ist auch einem Besucher mit Rollstuhl ganz in der Nähe dieses Besucherzentrums möglich: Am westlichen Rand des Soomaa-Naturparks bietet der Riisa-Moor-Weg in einem Hochmoor die Möglichkeit, das Gelände auch mit Rollstuhl zu besichtigen. Hier wächst Sonnentau und hier können einem auch kleine Tiere wie Eidechsen über den Weg laufen. Der Weg selbst ist mehrere Kilometer lang und auf 1.220 Meter Länge als breiter Bohlenweg ausgebaut, der mit Kinderwagen, wie auch mit Rollstuhl ohne Barrieren genutzt werden kann. Am Beginn des Weges gibt es Toiletten, die ebenfalls durch Rollstuhlfahrer nutzbar sind.

Nach all diesen Erlebnissen sollte man sich auch Zeit für einen Kanu-Trip auf dem Raudna-Fluss nehmen. Für Rollstuhlnutzer gibt es einen Anleger von dem aus man in ein Kanu oder gar in einen Einbaum (Nachbau eines Bootes wie es früher hier genutzt wurde) umsteigen kann. Voraussetzung dafür ist ein gewisses Maß an Mobilität. Das gilt jedoch nicht für ein Picknick im Naturpark – das kann jeder genießen: Speisen, so wie sie in Estland auf dem Lande gegessen werden. In den Hotels und Restaurants der Städte gibt es Speisen, die man als Mitteleuropäer sicherlich kennt, doch hier könnte Brennnesselsuppe als Vorspeise angeboten werden, Grütze mit geröstetem Mehl, eventuell Rhabarber-Mouse und selbstverständlich frisches und selbstgebackenes Brot oder Kuchen – alles sehr lecker und man sollte es sich keinesfalls entgehen lassen.

Zu den Unterkünften in der Nähe des Soomaa Naturparks, die auch für Besucher mit Rollstuhl angepasst sind, zählen die Ferienhäuser der Anlage „Klaara Manni“ in dem Dorf Tori oder das „Ponka“ Gästehaus in Tori. Weitere Möglichkeiten sind auf der Internetseite des Estnischen Verbandes für Naturtourismus zu finden. Eine derartige Tour von Deutschland aus vorzubereitet, erfordert selbstverständlich eine langfristig angelegte und gründliche Arbeit. Einfacher wäre, diese über ein Reisebüro wie „Barrierefreies Baltikum“(Accessible Baltics) vorbereiten zu lassen. Auch dort ist eine individuelle Zusammenstellen der einzelnen Reiseziele sowie der Besuch ausgewählter Sehenswürdigkeiten möglich. Zudem ist es möglich, sich so die Reise auch mit einem Kleinbus zusammenstellen zu lassen, der über einen Lift verfügt.

(Mai 2015)