Haapsalu – Besuch in estnischer Kurstadt am Meer

Nur etwa anderthalb Fahrstunden mit dem Auto von Estlands Hauptstadt entfernt befindet sich an der Westküste des Landes die mit rund 10.000 Einwohnern relativ kleine aber allgemein bekannte Stadt Haapsalu. Sie liegt an der gleichnamigen Bucht auf einer langen verzweigten Landzunge und ist so ein ideales Reiseziel für alle, die das Meer lieben und sich im Urlaub an der See erholen möchten. Das Stadtrecht hatte Haapsalu im Jahr 1279 durch Bischoff Hermann I. erhalten. Schwedischer und russischer Adel hat später viele Spuren in der Stadt hinterlassen, die Zar Peter I. im Jahr 1715 zu einem seiner wichtigsten Häfen erklärte. Ein weiteres für die Stadt wichtiges Datum markiert das Jahr 1825 als der aus einer Magdeburger stammenden Kaufmannsfamilie Deutschbalte Dr. Carl Abraham Hunnius die therapeutische Wirkung des Schlamm der Ostsee bei Haapsalu entdeckte. Das war der Beginn der Geschichte der Stadt als Kurstadt und vermittelte ihr wichtige Entwicklungsimpulse und so kamen im 19. Jahrhundert dann auch alle russischen Zaren von Alexander I. bis Nikolaus II. wie auch andere Prominente jedes Jahr zur Kur nach Haapsalu.

Als Kurbad und Stadt mit spezialisiertem Ausbildungs- und Pflegezentrum hat Haapsalu bereits eine gewisse Tradition im Umgang mit Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. So ist es für diese Stadt nichts Besonderes, dass das unmittelbar am Strand befindliche Neurologische Rehabilitationszentrum sich einerseits  um die Rehabilitation von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen kümmert, andererseits dafür ebenfalls auf vorbildliche barrierefreie Bedingungen verweisen kann.

Das Bemühen der Stadt und ihrer Partner um Barrierefreiheit ermöglicht in unseren Tage Patienten dieses Zentrums wie auch Bürger der Stadt oder mobilitätseingeschränkte Besucher sich nicht nur im Umfeld des Zentrums ohne Barrieren bewegen zu können sondern auch am Ufer zu promenieren oder in der Stadt spazieren gehen zu können. Die Uferpromenade bietet die Möglichkeit für einen ausgedehnten Spaziergang sowie die Gelegenheit, im mittels Schräge für alle zugänglichen Kursaal einzukehren. Im Gebäude ist auch eine Toilette für Besucher mit Rollstuhl ausgestattet. Bei Spaziergang durch die Stadt fallen die gut gekennzeichneten Behindertenparkplätze sowie die vielen Schrägen an den Bordsteinen und den Zugängen zu den Geschäften ins Auge. Die Supermärkte wurden in der Regel neu erbaut und sind  ebenerdig zugänglich. Auch für Rollstuhlnutzer angepasste Taxen sind erhältlich.

Wer im Stadtzentrum unterwegs ist, wandert vor allem an ein- und zweigeschossigen Häusern entlang, von denen viele mit Spitzenmustern verzierte Holzhäuser sind. Die imposante Kulisse der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Bischofsburg ist von vielen Standorten in der Stadt aus zu sehen. Vor allem im August ist diese Burg Besuchermagnet. Wenn der Vollmond hoch am Himmel steht, dann soll nämlich die „Weiße Dame“ erscheinen, der Geist einer jungen Frau, die hier einst lebendig eingemauert worden war. Sie soll die Geliebte des Domherren gewesen sein, die er in Verkleidung eines Chorknaben in die Burg gebracht hatte. Frauen in der Bischofsburg waren jedoch verboten und so soll sie dann hingerichtet worden sein. Und in den Vollmondnächten des August erscheint sie also jetzt an den Fenstern der Taufkapelle und weil auf ihr Erscheinen nicht unbedingt Verlass ist, darum wird ihr Schicksal auf der Theaterbühne im Innenhof der Burg nachgespielt.
Die gesamte Burg unterteilt sich in die „Kleine Burg“, die aus Domkirche und Konventshaus besteht, sowie die „Große Burg“, zu welcher dann noch die 800 Meter lange Ringmauer mit den Kanonentürmen gehört. Für Besucher mit Rollstuhl sind der Innenhof der großen Burg sowie das Untergeschoss der kleinen Burg und das dort befindliche Museum über Schrägen ebenerdig zugänglich. An der kleinen Burg wird gegenwärtig gebaut und im Frühjahr 2017 soll dann die kleine Burg insgesamt, also einschließlich des gesamten Museum ebenerdig zugänglich sein.

Bei Spaziergang entlang der engen Straßen der Altstadt mit ihren kleinen Häusern könnte man auch Häuser finden, bei denen man glaubt, man hätte sie schon einmal gesehen – und das vor allem wenn man die Geschichten und Bücher wie „Karlson auf dem Dach“, „Mio, mein Mio“ oder die „Kinder von Bullerby“ von Astrid Lindgren kennt. Dabei muss das keinesfalls eine Täuschung sein, denn viele der Bücher von Astrid Lindgren wurden Ilon Wikland illustriert, die ihre Kindheit in Haapsalu verbracht hatte. Bei der Illustration von Astrid Lindgrens Geschichten hat Ilon Wikland häufig auf ihre Kindheitserinnungen zurückgegriffen und also manches Haus genau so gemalt, wie sie es aus Haapsalu kannte. Heute erinnert Ilons Wunderland an Ilon Wikland. Auf drei Etagen kann man in diesem Wunderland viel über die berühmte Illustratorin erfahren, die von ihr illustrierten Bücher lesen sowie die Geschichten dazu hören, beziehungsweise selbst nachspielen. Das Gebäude des Wunderlandes ist über eine Schräge auf der Hofseite und mittels des eingebauten Lifts in allen drei Etagen auch für Besucher mit Rollstuhl zugänglich.

Bei einem Besuch in einer Kirche kann man viel über die Menschen am Reiseziel erfahren –  das gilt natürlich auch für Haapsalu und einige Kirchen sind ebenfalls ebenerdig zugänglich. Für die Innenstadt trifft dies auf evangelische Jaani-Kirche, die katholische Sankt Nicholas-Kathedrale auf dem Burggelände zu.

Aus jenen Jahren, da sich der russische Zar mit seinem Gefolge zur Pflege der Gesundheit nach Haapsalu kam stammt mit kunstvollen Schnitzarbeiten versehene hölzerne Bahnhof. Heute ist hier das Estnische Eisenbahnmuseum untergebracht. Einige der dort abgestellten Lokomotiven wurden bereits renoviert und sind nicht nur für Eisenbahnliebhaber sehenswert. Der Bahnhof selbst ist über eine Schräge ebenerdig zugänglich. Auf dem Gelände des Museums gibt es einen gut mit Rollstuhl zu befahrenden Weg von dem aus man alle Exponate in Ruhe betrachten kann. Wer dieses Museum besucht, sollten sich dafür keinen engen Zeitplan setzen, denn im Umfeld des Bahnhofs wurden die früheren Schienenstränge entfernt und die Strecken zu asphaltierten Radwegen umgebaut. So gibt es hier viele Kilometer gut befahrbarer Wege entlang der Küste, welche einen unvergesslichen Blick auf das Meer, beziehungsweise die auf- oder untergehende Sonne bieten. Auch durch den angrenzenden Wald führen hier asphaltierte Radwege und ganz in der Nähe lädt das ebenerdig zugängliche „Fra Mare Thalasso Spa“ mit dem Restaurant „Bergfeldt“ zu einem Besuch ein.

Allgemeine Informationen zur Vorbereitung einer Reise nach Estland kann man auf den Offiziellen Tourismus-Seiten Estlands nachlesen. Auskünfte zur Stadt Haapsalu und ihrer Umgebung kann man bei Läänemaa Tourismus finden. 

(Mai 2015)